Die Corona-Warn-App, eine Erfolgsgeschichte

Ich habe in der Vergangenheit kein Geheimnis darum gemacht, dass ich die Corona-Warn-App (CWA) für eines der besten öffentlichen IT-Projekte halte. Leider scheint sie deutlich besser zu sein, als ihr Ruf. Zu komplex, zu viel Datenschutz, zu teuer.

Seit die Politik die Pandemie mehr oder weniger für beendet erklärt hat, haben recht viele Leute in meinem Umfeld die CWA wieder deinstalliert. Auch in den Medien ist es still geworden um die App, wenn es nicht gerade wieder was zu meckern gibt. Grund genug zwei Aspekte einmal Revue passieren zu lassen.

Datensparsamkeit war eine gute Idee

Gestern schrieb heise, wie die Technik zur Bekämpfung der Pandemie weltweit für Überwachung genutzt wurde.

Der lapidare Hinweis, dass es in Deutschland auch passiert ist, darf natürlich nicht fehlen. Dass diese Probleme bei der Luca-App aufgetreten sind, erschließt sich erst nach dem Klick auf den Link. Es gibt keinen Hinweis, dass die CWA solchen Missbrauch von vonherein verhindert oder zumindest stark erschwert. Auch nicht, dass die “analoge Lösung” mit Stift und Liste in dieser Hinsicht ein Alptraum war.

So ist es ein Treppenwitz der Geschichte, dass wahrscheinlich sehr viele Leute, die nicht so in den technischen Details stecken, die Überwachungsprobleme auch der CWA zuschreiben. Dabei zeigen doch genau diese Überwachungsprobleme, dass wir so gut ausgearbeitete Datensparsamkeit wie bei der CWA dringend brauchen.

Die Kosten

Bleibt also die berühmte Kostenfrage. Dazu gibt es ja durchaus Meldungen in letzter Zeit. Dabei müssen aus meiner Sicht aber drei Aspekte berücksichtigt werden, um dieses Problem richtig einzuordnen.

Kosten sind zeitabhängig

“Die CWA kostet 220 Millionen” ist natürlich eine Schlagzeile, aber man muss bei Kosten auch immer die Zeit berücksichtigen. Wenn ich sage “Ich hab über 700€ für Netflix bezahlt” klingt das viel, aber das liegt halt daran, dass ich seit über 5 Jahren Netflix-Abonnent bin.

Auch die CWA läuft jetzt schon etwa drei Jahre, die Gesamtkosten müsste man also auch in diesem Zusammenhang sehen. Aber ok, über 130 Millionen sollen ja allein auf das Jahr 2022 entfallen. Diese Zahl, die durch die Presse geistert, passt zwar nicht ganz zu den offiziellen, aber glauben wir die mal, sie stammt ja aus dem Gesundheitsministerium.

Ich möchte mir nur den kleinen Seitenhieb erlauben, dass wir uns den Großteil der mehr als 25Mio. Hotlinekosten wohl gespart hätten, wäre die Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht in der Faxgerät-Ära stehen geblieben.

Kosten sind relativ

Die 130 Mio. klingen jetzt schon recht hoch und sie sind sicher kein Pappenstil. Aber wie hoch sind sie wirklich? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen Probleme mit großen Zahlen haben. Klar, wenn mir jemand 130 Mio. gibt, dann könnte ich da einiges mit anfangen. Aber gilt das auch für den Staat?

Die CWA wird durch den Bund finanziert. Wenn ich mir den heutigen Stand des Bundeshaushalts 2022 anschaue, lese ich da über 495 Milliarden. Die Kosten der CWA betragen 0,026% davon. Wählt man den Kosten/Einwohner-Ansatz, kommt man bei 130 Mio auf großzügig aufgerundete 1,60€ pro Person und Jahr. Ich wage zu behaupten, die meisten würden gar nicht merken, ob dieser Haushaltsposten da ist oder nicht.

Kosten vs. Investitionen

Tatsächlich sind die Ausgaben für die CWA nicht mal Kosten. Ok, es gibt einige Defintionen von Kosten, aber der entscheiden Punkt ist, dass das Geld nicht “weg” ist (Was es bei Staatsausgaben häufig eh nicht ist, aber das führt jetzt zu weit). Es ist ja nicht so, dass es wir für die 1,60€ pro Nase einfach alle einen Espresso kriegen und das wars.

Die Corona-Warn-App ist eine Investition. Sollten wir (Gott™ bewahre) wieder in eine richtig große Covid-Welle laufen und über Maßnahmen nachdenken, kann die CWA helfen härtere Maßnahmen, die viel größeren Schaden verursachen, zumindest teilweise zu verhindern.

Auch hier sind die Relationen wichtig. Die ganzen Arbeitszeitausfälle, Geschäftsschhließungen, Krankenhausaufenthalte etc. durch Covid kosten ernorme Summen; übrigens nicht nur in nacktem Geld, sondern auch in verschlissenem “Humankapital”, weil wir die Leute im Gesundheitssystem aufarbeiten. Wenn die CWA nur einen Bruchteil dieser Kosten abfedert, hat sie sich mehr als gelohnt.

Fazit

Ich bin froh, dass wir die CWA haben, sie ist ihren Preis mehr als wert. Nicht nur ist sie ein wichtiger Baustein in der Pandemiebekämpfung, sie hat auch dem Missbrauch zur Überwachung einen wirksamen Riegel vorgeschrieben. Solche öffentlichen IT-Projekte wünsche ich mir viel häufiger.